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Der Steinbock

Capra ibex

Im Winter sucht das Steinwild die sonnenexponierten Südhänge mit großer Hangneigung auf, weil dort der Schnee schneller abschmilzt oder abrutscht. An diesen Hängen findet das Steinwild somit höhere Temperaturen und ein besseres Äsungsangebot vor. In dieser Jahreszeit besteht die Nahrung fast ausschließlich aus krautigen Pflanzen mit einem hohen Anteil an Rohfasern, hauptsächlich aus Zellulose, welche für die anderen Arten von Huftieren schwer verdaulich sind. Dank des mehrteiligen Magens, seiner Anpassung als Wiederkäuer und unterstützt durch die Tätigkeit der Magen-Darm-Bakterien kann der Steinbock in großen Höhen im Gebirge überleben, trotz des kargen Äsungsangebotes.

Steinböcke und Steingeißen erreichen ihrem Geschlecht entsprechend, unterschiedliche Körpergrößen und Hornlängen. Während adulte Böcke ein Körpergewicht von 100 kg überschreiten und Hörner von 1 m Länge tragen können, erreichen die weiblichen Tiere im Normalfall kaum ein Körpergewicht von 50 kg und tragen Hörner mit einer Länge von 25-30 cm. Dieser markante Unterschied zwischen den Geschlechtern ist verknüpft mit dem polygynischen Paarungsverhalten und bedingt vom starken sexuellen Selektionsdruck zur Weitergabe der besten genetischen Veranlagungen. Polygynisch bedeutet, dass ein Bock mehrere bis viele Geißen befruchtet.

Das Fell oder die Decke des Steinbocks weist im Sommer eine rötlichgraue bis braungraue Farbe auf. In der Übergangszeit können die Gliedmaßen wesentlich dunkler gefärbt sein als die Rückenbereiche und sich damit von den Farben des unteren Rumpfes unterscheiden.
Im Herbst wird das Sommerfell von leichtem Winterhaar überwachsen, welches wesentlich dichter und wolliger ist (Wollhaare) und sich über das erste legt. Das Winterhaar bietet den Tieren Schutz, um die tiefen Temperaturen zu überleben. In der Überganszeit ist das Haarkleid bei männlichen Individuen bräunlich, während es bei weiblichen Tieren beige erscheint.

Ein Charakteristikum für das Steinwild ist das langsame Körperwachstum, welches vor allem bei den Böcken die gesamte Lebensphase hindurch anhält. Die Jungtiere (1-2 Jahre) unterscheiden sich in beiden Geschlechtern weder im äußeren Erscheinungsbild noch anhand der Körperdimensionen und ähneln den Geißen. Aufgrund der extremen Lebensbedingungen im alpinen Raum sind die Kitze der natürlichen Selektion am stärksten ausgesetzt. Wenn die Kitze die ersten zwei kritischen Lebensjahre überstehen, haben sie gute Überlebenschancen bis in das Erwachsenenstadium.

​Sowohl im Sommer als auch im Winter ist der Alpensteinbock an das Leben im Hochgebirge zwischen 1800 und 3000 m MH angepasst und auf steile und felsige Zonen angewiesen, welche er als Schutz- und Rückzugszonen nutzt. Zwischen April und Mai ist es möglich, Gruppen von männlichen Individuen zu beobachten, welche in tiefer gelegene Tallagen absteigen, um dort frisches Gras zu suchen.

Aufgrund der extremen klimatischen Bedingungen im alpinen Raum, setzt die Aufzucht eines Jungtieres ausreichend Nahrung sowie beachtliche Energiereserven voraus. Daher sind Zwillingsgeburten beim Steinwild sehr selten. Dem Muttertier gelingt es ob der extremen Bedingungen im Lebensraum nicht, jedes Jahr für Nachkommenschaft zu sorgen. Das Steinwild ist ein typischer Vertreter einer Tierart mit langsamer Entwicklung seiner Population, welche sehr viel Energie einsetzt, um das Überleben des eigenen Nachwuchses zu sichern.

Der Steinbock ist ein soziales Herdentier. Männliche und weibliche Tiere leben außerhalb der Paarungszeit nach Geschlechtern getrennt in separaten Rudeln. In den Rudeln der Böcke herrscht während der Sommermonate eine strenge Rangordnung, welche aufgrund der physischen Kondition und der Hornlänge festgelegt wird. Die Festlegung dieser Hierarchie bereits von vornherein im Sommer vermeidet Energieverluste im Kampf um die Geißen während der winterlichen Paarungszeit.

Die Prägung zwischen Steinbock und Felsen ist fest verankert. Der Steinbock braucht die Felsregion für sein Überleben: Steile und abschüssige Felswände bieten ihm Schutz vor Fraßfeinden und Gefahren. Im Winter apern diese steilen Felsflanken auch wegen des Abrutschens von Schnee schneller aus und bieten Futter in einer an sich schon kargen Zeit.

Steinbock von 12 Lebensjahren. Das Wachstum der Hörner hält das ganze Leben an. Es ist beschleunigt bis zum 8. Lebensjahr, während es vom 9. bis zum 14. Lebensjahr zwischen 5 und 9 cm pro Jahr beträgt. Nach dem 14. Lebensjahr wird das Längenwachstum meist durch die Abnutzung der Hornspitzen kompensiert. Zählt man die Zuwachsringe auf der Hinterseite des Hornes, ist eine gute Abschätzung des Lebensalters eines Steinbockes möglich. Dieses Jahresringe sind gut abgegrenzt, weil im Winter das Hornwachstum eingestellt bleibt.

Innerhalb ihres Rudels legen die Steinböcke durch Hornkämpfe eine strenge Rangordnung. Diese Stoß- und Schiebekämpfe sind weitestgehend ritualisiert und enthalten codierte Demonstrationen der eigenen Stärke. Durch die Ritualisierung wird das Risiko von schweren Verletzungen oder erhöhtem Energieverlust vermindert.

Der Steinbock ist ein Huftier mit robustem Körperbau: Eine große Muskelmasse auf kurzen Läufen bei gedrungenem Rumpf und einem kurzen aber massigen Hals, um Hörner von bis zu 4 kg Gewicht zu tragen. Der Körperbau ist eine deutliche Anpassung an den rauen Lebensraum der Felswand im Hochgebirge. Bau und Ausformung des Hufes mit einer harten und scharfen Kante und einer nachwachsenden inneren Schale als Verschleißschicht machen ihn zum Kletterer.

Die Paarungszeit des Steinwildes fällt in die Wintermonate Dezember bis Jänner. Die Kitze werden im späten Frühjahr geboren, wenn die Ernährungsbedingungen optimal sind. Während der Brunftzeit paart sich ein dominanter Steinbock mit mehreren Geißen. Es herrscht eine strenge Selektion zur Weitergabe der besten Gene. Im Laufe der Evolution hat der Steinbock eine Reihe von ritualisierten Verhaltensweisen entwickelt, welche die Kampfregeln bei der Austragung der Rangordnungskämpfe darstellen. Im Bild ist das sogenannte „Seit an Seit-Gehen“ eingefangen, mit welchem sich die beiden Böcke mit ihrer Körpergröße gegenseitig imponieren wollen. Ritualisierte Rangordnungskämpfe schützen vor schweren Verletzungen und helfen in nahrungsknappen Winterzeiten Energien einzusparen.
Der Steinbock
 
Der Steinbock

Das Steinwild im Nationalpark Stilfserjoch

Nachdem der Steinbock im 19. Jahrhundert ausgestorben war, ist er in das Gebiet des Nationalparks Stilfserjoch in Folge von Wiederansiedlungen im lombardischen Zebrú-Tal in den Jahren 1967 und 1968 zurückgekehrt. Dieses Gebiet war wegen der günstigen Überwinterungsbedingungen als besonders geeigneter Lebensraum befunden worden. Insgesamt waren 29 Tiere freigelassen worden, welche aus der Kolonie am Piz Albris (CH) und aus dem Nationalpark Gran Paradiso stammten. Im Jahre 1973 wurde bereits eine Steinwildpopulation von 80 Tieren geschätzt und im Jahre 1984 war der Bestand bereits auf 220 Tiere angewachsen. Vom Zebrù-Tal aus hat das Steinwild das Brauliotal besiedelt. In diesem Tal ist das Steinwild nunmehr in einer stabilen und zahlenmäßig starken Kolonie präsent.
Zwischen den Jahren 1984 und 1994 hat der Nationalpark ein zweites, verlängertes Wiederansiedlungsprojekt umgesetzt: Durch Fänge und Wiederfreilassungen sollte in bestimmten Gebieten der Aufbau einer Kolonie aus Individuen spontaner Wiederbesiedlung beschleunigt und unterstützt werden. Im Zebrù-Tal wurden zwischen 1984 und 1994 insgesamt 32 Tiere gefangen und an vier verschiedenen Freilassungsorten wiederangesiedelt.

Derzeit kommt der Steinbock vor allem im lombardischen Anteil des Nationalparks Stilfserjoch vor. Zwei kleine Kolonien sind im südtiroler Länderanteil präsent, die erste am Chavallatsch-Kamm als Grenzkamm zwischen dem Trafoital und dem schweizerischen Münstertal, die zweite Kolonie zwischen dem Ulten- und dem Martelltal.
Eine weitere Kolonie hat sich unlängst im trentiner Pejotal innerhalb und außerhalb der Grenzen des Nationalparks gebildet. Insgesamt können inzwischen sieben, derzeit noch voneinander getrennte Kolonien unterschieden werden, auch wenn die sporadischen Sichtungen von Einzeltieren außerhalb dieser Kolonien als Anzeichen für die weitere spontane Ausbreitung zunehmen.

Im lombardischen Gebiet des Nationalparks werden seit dem Jahre 2001 jährliche Zählungen nach einer standardisierten Methode durchgeführt, welche Aussagen über die Populationsentwicklung ermöglichen: Die Huftierart ist innerhalb der Grenzen des Nationalparks weiterhin in Ausbreitung begriffen, mit Ausnahme der historischen Kolonie in den Tälern Zebrù und Braulio. Dort hat die Kolonie wahrscheinlich ihre lebensfähige Höchstdichte erreicht. Die Zählungen und Hochrechnungen einschließlich der Dunkelziffer lassen die Schätzung zu, dass der derzeitige Gesamtbestand von Steinwild im Nationalpark Stilfserjoch ca. 1.260 Tiere umfasst, wovon sich mit ca. 1.190 Tiere im lombardischen Parkgebiet aufhalten. Die höchsten Dichten mit über 15 Stück pro km² gibt es dabei in den historischen Kolonien Zebrù-Braulio und Livigno.
Die Ausbreitungstendenz des Steinwildes ist langsam: Wenige waren bisher die Wanderungen von Steinböcken aus dem lombardischen Parkanteil in die anderen Länderanteile des Nationalparks. In den letzten Jahren wurden jedoch wiederholt spontane Einwanderungen in das Pejotal beobachtet.

Daher hat sich das Team der Wildbiologen des Nationalpark sin den letzten Jahren neuerlich dem Fang und der Wiederfreilassung von Steinwild gewidmet, um die kleine trentiner Kolonie zu verstärken und anschließend auch jene in Südtirol aufzustocken. Die Abbildungen zeigen Momentaufnahmen einer Fangaktivitäten, Markierung und Freilassung im Jahr 2010.

Texte: Luca Pedrotti – Übersetzung: Wolfgang Platter, Ronald Oberhofer.
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